Vor der Reise
Nach Indien wollte ich seit ich im Teenageralter das Buch “Wer Liebe verspricht” gelesen hatte. In den wunderschönsten Farben wird das Land während der Kolonialzeit beschrieben. Mein Interesse für Indien war geweckt und so las ich viele Reiseberichte über Indien und wusste - da will ich einmal hin.
Die erste Gelegenheit ergab sich 2008, als ich mit dem Verein “Hoffnung für Menschen e.V” eine Reise zur Südspitze Indiens machte. Es war eine wundervolle Reise voll mit Eindrücken dieses fremden Landes. So stand für mich schon vor der Heimreise fest, dass ich auch 2009 mit nach Indien reisen wollte.
So war die Reise bereits gebucht, als ich im Oktober 2008 meinen heutigen Mann kennen lernte. Ich freute mich auf Indien, hatte aber auch etwas Bauchgrummeln, weil ich ohne meinen Lebenspartner fahren sollte. Zum Glück konnte die Reise für Daniel nachträglich noch gebucht werden, er bekam auch noch rechtzeitig seinen Reisepass und so konnte im Februar unsere Reise - wieder mit dem Verein “Hoffnung für Menschen e.V.” über Abu Dabi nach Nagercoil in Südindien beginnen.
1. Tag: Abu Dhabi
Nach sieben Stunden Flug erreichten wir unser erstes Ziel: Abu Dhabi. Schon auf der kurzen Fahrt vom Flughafen in die Stadt, konnte man die vielen Baustellen stehen. Eine Stadt, die ständig wächst.

Wir machten aber noch vor den Toren halt um uns die Sheikh Zayed Moschee anzuschauen. Die Moschee ist ein Gebäude wie aus tausend und eine Nacht. Prachtvoll mit viel Gold und Türmen - ein arabischer Traum, der zum Verweilen einlädt.
Leider blieb uns bei diesem kurzen Aufenthalt in Abu Dhabi nicht mehr Zeit, wollten wir doch noch etwas mehr von der Stadt sehen. Wir besuchten den Markt und durften dort köstliche Feigen und Datteln probieren. Der Geruch in den Fischhallen war hingegen etwas weniger köstlich.

Weiter ging die Reise zum Heritage Village, einem Museum, in dem das traditionelle Leben in den vereinigten arabischen Emiraten dargestellt wird. Ein wundervoller Ort mit einem traumhaften Blick auf die Skyline Abu Dhabis.

Nach diesen vielen Eindrücken für die Augen war es an der Zeit den Gaumen mit arabischen Köstlichkeiten zu verwöhnen. Das Restaurant Al Dhafra war hierfür der richtige Ort! Alles, was die arabische Küche zu bieten hatte, war zu einem Buffet aufgebaut und so konnten wir uns nach Herzens Lust durchprobieren.
Wir ließen den Abend am Hotelpool ausklingen, bevor wir uns zurück auf den Weg zum Flughafen machten. In der Nacht flogen wir weiter nach Trivandrum, Südindien.
2. Tag: Nagercoil
Eine Wand aus heißer Luft und hoher Luftfeuchtigkeit erwartete uns frühmorgens auf dem Flughafen in Trivandrum. Es war unvorstellbar, dass es am Tag noch heißer werden sollte. Erleichtert stellen wir fest, dass das Flughafengebäude sehr gut gekühlt war - so gut, dass man schon fast wieder eine Jacke brauchte. Nachdem wir alle Einreiseformalitäten erledigt hatten, wurden wir von den indischen Partnern des Vereins begrüßt und sofort tauchten wir in die indische Welt aus Gerüchen, Farben und Hitze ein.
Nach einem kurzen morgentlichen Schlaf in Kovalam ging unsere Reise weiter nach Nagercoil. Dort begannen wir den Tag mit einem Gottesdienst. Auch hier wieder Farben (von bunten Ornamenten) und Gerüche (von den vielen Blumengirlanden.)
Am Abend besuchten wir noch das Kinderheim in Nagercoil. Schließlich war die Hilfe für Witwen und Waisen der Hauptgrund unserer Reise nach Indien. Die Kinder freuten sich über unseren Besuch und begrüßten uns mit typischen indischen Tänzen.

3. Tag: Shoppingtour und Kinderdorf in Nagercoil
Unser zweiter Tag in Indien begann mit einer ausgiebigen Shoppingtour in Nagercoil. Schon am ersten Tag hatten uns die bunten Saris und Churidars der indischen Frauen beeindruckt und nun machten wir uns auf den Weg um selbst solche schönen Gewänder zu erstehen. Ein Bekleidungsgeschäft in Indien unterscheidet sich vor allem durch seine viele Mitarbeiter von Geschäften in Deutschland. Hinter langen Tresen warten sie auf Kunden, sind dienstbeflissen und bringen in rasender Geschwindigkeit Unmengen der gewünschten Gegenstände. Bald standen wir in Bergen an bunten und glitzernden Stoffen, was die Auswahl enorm erschwerte. Deutschland ist ja schon bekannt dafür, dass jedes Formular in doppelter und dreifacher Ausfertigung abgeheftet werden muss - das ist aber nichts gegen Indien. Hat man sich für ein Kleidungsstück entschieden, wird dies sofort von fleißigen Helfern bei Seite gelegt. Man erhält dafür einen Beleg. Entscheidet man sich für ein weiteres Kleidungsstück, erhält man einen zweiten Beleg. Manche von uns standen bald mit einem ganzen Stapel an Belegen im Raum. Mit all diesen Belegen machten wir uns auf den Weg zur Kasse. Mit Rechenmaschinen wurde die Gesamtsumme ermittelt und wir konnten bezahlen. Dafür erhielten wir - wie nicht anders zu erwarten - einen Beleg. Mit diesem Beleg machten wir uns schließlich auf zur Warenausgabe und erhielten dort unsere ordentlich verpackten Saris und Churidars. Einkauf auf indisch!
Nächste Station - Schneider auf indisch! Selbstverständlich sind auch die bezaubernsten Stoffe erhältlich und manch einer konnte nicht widerstehen, sich Kleidung nähen zu lassen. So machen wir uns mit verschiedenen Stoffen auf den Weg zu einem Schneider. Dort wurde versprochen, dass die Kleidung in einer Stunde, spätestens aber am Abend fertig sein sollte. In Windeseile wurde vermessen und notiert, welche Ärmel- und Ausschnittform gewünscht wurden.
Tatsächlich erhielten alle ihre Kleidung pünktlich noch vor dem Abend. Die Passform war allerdings gewöhnungsbedürftig. Egal ob man Kleidergröße 36 oder 44 hatte - man passte in jedes der maßgeschneiderten Stücke.
Doch nicht nur die Geschäfte in Nagercoil sind eine Attraktion, auch die Stadt bietet für Westeuropäer viel Sehenswertes. Elektroleitungen, die kunterbunt “verlegt” wurden, dick bepackte Mofas, kleine Kaffeeläden... und immer wieder Menschen, die es als Ehre empfinden, wenn sie von uns fotografiert werden. Ganz gespannt warten sie dann darauf, die Ergebnisse auf den Displays unseres Kameras zu sehen.

Den Nachmittag verbrachten wir im Kinderdorf in Kurusady-Nagercoil. Hier leben in vier Häusern Waisenkinder mit ihren Pflegemüttern. Der Nachmittag stand im Zeichen des Spass habens und der Spiele. Zur großen Erheiterung der Kinder sangen wir ihnen deutsche Volks- und Kinderlieder vor. Unvermeidlich war es natürlich auch, ganz viele Fotos von den Kindern zu machen, die sie unter viel Gelächter sofort begutachten wollten.

4. Tag: Sonnenaufgang in Kanyakumari, Vattakottai, Kinderdorf in Mela Manakudy, Sonnenuntergang am Strand
Unser Tag begann früh. Schon vor Sonnenaufgang fuhren wir nach Kanyakumari, einem Ort, der am südlichsten Punkt Indiens liegt. Durch seine Lage ist Kanyakumari ein wichtiges hinduistisches Pilgerziel. Besonders bedeutend ist für die Pilger der Tempel der Göttin Kumari Amman. Die Gläubigen nehmen im Meer ein rituelles Bad. Nur wenige hundert Meter vor der Küste liegen zwei kleine Felsen. Auf dem einen befindet sich das Vivekananda-Denkmal, eine Gedenkstätte für den hinduistischen Philosophen Vivekananda. Auf dem zweiten Felsen wurde zu Beginn des Jahrhunderts die 40 Meter hohe Tiruvalluvar-State als Denkmal für den tamilishen Dichter Tiruvalluvar errichtet.
Wir erlebten dort - zwischen all den Gläubigen - einen stimmungsvollen Sonnenaufgang.

Nach einer Bootsfahrt und einer Besichtigung des Vivekananda-Denkmals machten wir uns auf den Weg nach Vattakottai. Das Fort in Vattakottai wurde im 18. Jahrhundert als Schutzfestung für das Königreich Travancore gebaut. Sie ist etwa dreieinhalb Hektar groß und von hohen Granitwällen umgeben. Im Jahre 1810 wurde die Festung von britischen Streitkräften eingenommen.
Heute ist Vattaktottai ein malerischer Aussichtspunkt mit Blick auf das Meer auf der einen und die Berge auf der andren Seite.

Der Sthanumalaya-Tempel in Suchindram war unser nächstes Reiseiel. Er ist der hinduistischen Dreifaltigkeit Brahma, Vishnu und Shiva geweiht. Der Gopuram des einzigartigen Baus ist 40 Meter hoch ist. Er ist mit wundervollen plastischen Arbeiten geschmückt. Insgesamt gibt es 30 exquisit ausgearbeitete Schreine in dem Komplex. Die Tanzhalle besticht mit ihren 1035 Säulen. Darüber hinaus rühmt sich der Tempel einiger Musik hervorbringender Säulen, die aus einem einzigen Granitblock gemeißelt wurden. Jede Säule bringt einen anderen Ton hervor.
Für uns war besonders beeindruckend, wie entspannt hier Touristen und Gläubige nebeneinander im Tempel waren. Wir fanden sogar einen Gläubigen, der uns gegen ein paar Rupis durch den Tempel führte und mit seinen ausführlichen Erklärungen nicht sparte.
Nach einem Besuch im Kinderdorf in Mela Manakundy ließen wir den Tag so ausklingen, wie wir in begonnen hatten. Mit einem Sonnuntergang am Meer.

5. Tag: Indische Handwerker und das Leben am Fluss
Am nächsten Morgen machten wir uns auf um indische Handwerker bei der Arbeit zu besuchen. Unser erstes Ziel war eine Ziegelei. Bei brütender Hitze standen die Männer und Frauen im Lehm, formten ihn zu Ziegeln, legten die Ziegel zum Trocken auf und brachten sie schließlich in die großen Brennöfen.
Weiter ging es in einen Steinmetzbetrieb. Es ist kaum vorstellbar, dass hier wirklich alles in Handarbeit hergestellt wird - sogar die kleinen Schottersteinchen.
Wir beschlossen den Tag mit einem Ausflug an einen kleinen Fluss. Hier fand wirklich das Leben statt. Es wurde gebadet und gewaschen - Kleidung, Elefanten, Motorräder...

6. Tag: Fischerdorf und Schule in Chinnathurai
Wieder einmal starteten wir früh am Morgen um ein Fischerdorf zu besuchen. Bei wundervollen Licht beobachten wir die Fischer, die vom Fischfang zurückkehrten. Ihre Boote schaukelten teilweise bedrohlich auf den Wellen. Die Frauen wartet bereits mit ihren großen Schüsseln am Strand um den Fisch in Empfang zu nehmen. Es herrschte ein buntes Treiben mit unendlich vielen Fotomotiven.
Gleich im Anschuss besuchten wir das Kinderdorf und die Schule in Chinnathurai. Wir durften einen Blick in die Klassenzimmer werfen und waren von den überaus disziplinierten Schülern fasziniert.

7./8. Tag: Kovalam
Die letzten beiden Tage unserer Indienreise verbrachten wir im Badeort Kovalam. Herrliches Wasser mit teilweise recht hohen Wellen lud zum Baden. Trotz Sonnengreme mit sehr hohem Lichtschutzfaktor und Schutz durch Kleidung - außer beim Baden - zogen wir uns recht bald einen heftigen Sonnenbrand zu. Aber zum Glück kann man in Kovalam nicht nur baden, sondern auch Fischer bei ihrer täglichen Arbeit beobachten oder die frischen Meeresfrüchte in einem der Lokals an der Strandpromenade genießen. Auch die abendlichen Strandspaziergänge waren an Romantik kaum zu überbieten.
Viel zu schnell vergingen die Tage in Indien und so mussten wir uns leider schon wieder auf den Rückweg machen. Viele Eindrücke und eine veränderte Sicht auf die Dinge sind aber geblieben. Das Leben in Indien ist einfach und häufig von Armut geprägt. Viele Dinge, die uns vor unsere Indienreise wichtig erschienen, sind es heute nicht mehr.
Indien ist ganz bestimmt eine Reise wert und obwohl es schon mein zweiter Besuch war, wird es nicht mein letzter gewesen sein. Vielleicht besuchen wir dann den Norden.
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